Im ersten Konzert des Jahres 2019 in der Neuapostolischen Kirche Reutlingen-West musizierten am Samstag, 23.2., der Regionalchor Nürtingen zusammen mit Streichern des Stuttgarter Kammerorchesters der Neuapostolischen Kirche. Zur Aufführung kam zeitgenössische Kirchenmusik des Norwegers Ola Gjeilo und des lettischen Komponisten Peteris Vasks.
Zeitgenössische Musik ist nicht jedermanns Sache. Wer sich an diesem Samstag Abend jedoch darauf einließ, bekam klangvolle harmonische Töne zu hören.
Das "Verleih uns Frieden" des in Lettland geborenen Peteris Vasks ist ein gesungenes Gebet eines Volkes, das unter Repressalien litt. So nehmen die ersten Streichertöne das Publikum mit in eine zerrissene Atmosphäre, ein starker Kontrast zu dem in Pianissimo vorgetragenen Wunsch nach Frieden des Chores. Zunächst verhalten, einstimmig, steigert sich dieser Wunsch in einen hörbaren inneren Kampf und einen Schrei aus tiefer Not heraus. Lange Töne breiten einen Klangteppich aus, bis sie in einem leisen Murmeln enden. Für einen Laienchor ein schwer singbares Stück, von allen Musikern sehr gut vorgetragen und souverän dirigiert von Karsten Ott.
Danach ließ das vom 1966 geborenen Deutschen Max Richter komponierte Streicher-Musikstück "On the Nature of Daylight" bildlich die Sonne über einem leise wogenden Meer aufgehen. Diese Wellenbewegungen in den zweiten Violinen fanden sich später wieder in der Sunrise Mass des Norwegers Ola Gjeilo. Eine lateinisch gesungene Messe mit Überschriften, die den Bogen zum Hier und Heute spannen, ist recht außergewöhnlich. So bezeichnet der Komponist das Kyrie - Herr, erbarme dich - mit "Sphären" und malt gleichsam impressionistisch klingende Bilder. Im Gloria geht die Sonne auf, und hier findet sich wieder der Bezug zum Orchesterstück von Max Richter. Was das Credo, das Glaubensbekenntnis, mit der Ergänzung "Die Stadt" gemein hat, wird zwar vom Komponisten im Programmheft erklärt, erschließt sich trotzdem schwer. Aber eindrucksvoll war es dennoch, sowohl in der Komposition als auch in der Darbietung. Auch die beiden letzten Sätze, von den Streichern mit viel Spielfreude begleitet und vom Chor mit ebenso großer Begeisterung gesungen, sind thematisch gewöhnungsbedürftig: Das Sanctus beispielsweise symbolisiert das Individuum. Mit den zarten Tönen der hervorragenden Soloviolinistin Birgit Müller fand dieses "Individuum" dann am Ende einen versöhnlichen Frieden in Gott.
Gjeilos "Ubi caritas" kam gleich zweimal zur Aufführung, denn es wurde vom scheidenden Dirigenten Daniel Joos als Zugabe gegeben. Apostel Volker Kühnle verabschiedete ihn unter dem Applaus des Regionalchors offiziell, nach einer "Stunde des Hochgenusses musikalischer Art", wie Apostel Kühnle in seinen Schlussworten das Konzert lobte.
Teile des Konzerts werden a capella bzw. mit Klavierbegleitung in der Stunde der Kirchenmusik am 5. April in der Neuapostolischen Kirche Metzingen zu hören sein.