„Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Dieser Teil aus dem 16. Vers des 5. Jakobusbriefs diente der siebten Andacht des Bezirks Reutlingen als Grundlage.
Priester Karl-Peter Krauss, Vorsteher der Gemeinde Reutlingen-Gönningen, begann mit einer kleinen Anekdote, einer Begegnung zwischen einem Chef und seiner Angestellten, die er am Vortag mitbekommen hatte. Auf die Frage des Chefs, was er für sie tun könne, antwortete sie nur: „Nichts, nur mein Gejammer anhören.“ Durch diesen Kurzdialog zum Nachdenken angeregt, erlebte Priester Krauss eine ähnliche Situation, den Anruf einer Frau, die ihm ebenfalls „nur ihre Probleme“ berichten wollte. Er stellte sich dabei vor, wie oft er selbst jammert, wie oft hört man leise Botschaften des Heiligen Geistes, der uns fragt: „Was kann ich für dich machen?“ Und wie oft möchte man dann einfach nur jammern, ohne ernsthaft um Hilfe zu bitten. Ein Gebet jedoch ist mehr als das, es ist unglaublich wertvoll: „Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Das 5.Kapitel, in dem das Bibelwort steht, ist überschrieben mit „Das Gebet für die Kranken“. Im weiteren Text heißt es: „Leidet jemand unter euch, der bete“ Das ist ein Appell an alle, denen es gerade nicht so gut geht. Ergänzend zu diesem Gebet für sich selbst, schreibt Jakobus weiter: „Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.“ (Vers 13 und 14). Das bedeutet, dass andere beten und zum Gebet gerufen werden sollen. Hier ist also jeder Einzelne aufgerufen, Du und ich, für sich selbst, für einander aber auch für jene zu beten, die anscheinend vergessen sind. Durch Krankheit und Sorgen kann ein Familien-Mobilé völlig durcheinander gebracht werden. Alles ist plötzlich anders, wenn Krankheit oder Tod einkehrt. Priester Krauss hatte zur Andacht seine alte Familienbibel mitgebracht, die „furchtbar zerflettert, zerlesen, fleckig, unansehnlich“ ist. Aber sie bringt viele Erinnerungen an seinen Großvater hervor, der ihm oft daraus vorgelesen hatte. In dieser Bibel verborgen waren viele „Schätze“ seiner Großeltern, Saftrezepte, Chroniken, ein Stadtplan. Warum? Diese Bibel war der „Tresor“ der Familie, das „zentrale Buch“, Impulse für manche Geschichten und Gebete. Die Heilige Schrift, die wir zuhause haben, kann auch für uns ein Leitfaden sein, wenn wir Hilfe im Gebet brauchen. Wenn wir die Koordinaten unserer Seele und unserer Familie verschoben sehen, wenn wir die Asymmetrie des Familienmobiles entstehen sehen, dann soll eintreten, was wir uns heute Abend vorgelesen haben: Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. Priester Krauss wünscht jedem, dass er dies erleben möge und dieses Wort – wie die Familienbibel seiner Großeltern – alltagskompatibel ist und tief in den Alltag hineinwirkt.
In seinem Wortbeitrag stellte Priester Jens-Uwe Hahn die Frage, was denn „gerecht sein“ bedeutet. Im biblischen Sinn ist der Mann und die Frau gerecht, der/die an Gott glaubt und ihm in allen Situationen vertraut. Dazu gehört nicht nur der Glaube an die Existenz Gottes, sondern auch der Glaube an seine Allmacht und seine Liebe. Die Gewissheit aus diesem Glauben führt dazu, dass wir das Vertrauen aufbringen können, ihm alles zu überlassen in jeder Situation. Dieses Vertrauen führt dazu, dass wir seinen Willen akzeptieren, dass wir glauben, dass sein Wille gut ist. unsere eigenen Vorstellungen basieren auf unserer Unvollkommenheit, aber dieser Glaube, dieses Vertrauen, machen uns gerecht. Wenn wir so beten, vermag unser Gebet viel, dann hat das Einfluss darauf, wie wir beten und vor Gott treten und was wir beten. Dann kommen wir in Demut und Anbetung vor Gott, dann steht die Dankbarkeit im Vordergrund. Als Jesus nach Bethanien gerufen wurde zum verstorbenen Lazarus, dankte er zunächst Gott, bevor er Lazarus auferweckte. Die Dankbarkeit stand bei ihm an vorderster Stelle. Ein weiteres Beispiel sind Paulus und Silas, die – obwohl sie im Gefängnis waren, weil sie das Evangelium verkündigt hatten - zuerst Gott lobten. Dann fielen die Fesseln von ihnen ab. Wenn auch wir als Gerechte vor Gott kommen, dann nicht mit Forderungen, weil wir meinen, etwas verdient zu haben, oder mit Vorwürfen, dass er uns ungerecht behandelt hat. Im Gleichnis Jesu von den Arbeitern im Weinberg kamen einige mit Vorwürfen, weil sie meinten, mehr verdient zu haben als die, die später mit der Arbeit begannen. Diese Forderungen wurden nicht erhört. Wenn wir als die Gerechten vor Gott kommen und ernsthaft beten, also uns Zeit nehmen und den Alltag zur Seite legen, die Verbindung zu Gott suchen und Zwiesprache halten, das erbeten, was mit Gottes Wille übereinstimmt, dann vermag unser Gebet viel.
Als Dritter sprach Evangelist Thomas Walker, Vorsteher der Gemeinde Mähringen. „Das Leben ist kein Wunschkonzert“ – wir bekommen nicht alles, wir möchten. Auch hier im Bibelwort steht nicht, dass der Gerechte alles bekommt, worum er bittet. Gott hat sich seiner Hoheit vorbehalten, was er erfüllt. Warum und wieso, wissen wir nicht und das macht es uns oft schwierig zu glauben, dass das Beten überhaupt einen Wert hat. Es gibt zum Thema Gebet zwei konträre Sätze: „Da hilft nur noch Beten“ und „Da hat alles Beten keinen Wert mehr“ – Optimismus und Pessimismus. Wer nicht an Gott glaubt, wird nicht beten. In einem defekten Flugzeug gibt es keine Atheisten, die beten alle aus Angst und Furcht, bis sie wieder auf Boden sind. Wir müssen nicht aus Furcht und Angst beten, sondern sollen aus der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Im Hohepriesterlichen Gebet bittet Jesus seinen Vater, der größte und gerechteste Mensch, der je über die Erde gegangen ist, „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.“ (Johannes 17, 15). Jesus bittet also nicht um Natürliches sondern um Ewigkeitsrelevantes. Er bittet nicht darum, dass das Böse weggenommen wird, sondern dass die Seinen bewahrt bleiben in alle Ewigkeit.
Priester Krauss beendete die Andacht, in dem er noch einmal zwei Gedanken aufgriff: Betet nicht aus Furcht, sondern aus Überzeugung – es geht nicht nur um natürliche Dinge, sondern um Dinge mit Ewigkeitswert.
Die musikalische Umrahmung übernahm dieses Mal ein kleiner Jugendchor, der aufgrund des schlechten Wetters nicht wie sonst vor dem Kircheneingang im Freien singen konnte, sondern sich im gut gelüfteten Foyer der Kirche Sonnenbühl aufstellte.