Nach 7 „Sonnenbühler Wochen“ wurde die Andacht am Mittwoch, 10. Juni 2020, zum ersten Mal aus der Neuapostolischen Kirche Pliezhausen per Livestream gesendet.
Bezirksältester Christian Probst wurde dabei von den Evangelisten Erwin Kugelmann (Reutlingen-Süd) und Bernd Dietrich (Pliezhausen) begleitet. Die einfühlsame musikalische Umrahmung gestaltete der Pliezhäuser Organist Heiko Herbrand.
Der Andacht lag das Bibelwort aus Rut 1, 16 zugrunde: „Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“
Auf das trübe und neblige Wetter dieses Tages eingehend, erinnerte sich der Bezirksvorsteher in seinem geistlichen Impuls an eine frühere Wanderung, bei der es ebenfalls sehr neblig war, sodass es schwierig war, den Weg zu finden, weil die Fixpunkte zur Orientierung fehlten. „Selbst bekanntes Terrain war auf einmal völlig unbekannt.“ Sich vollständig auf wegweisende Instrumente auf dem Handy verlassend, war er erstaunt, an einem bekannten Ort anzukommen, obwohl er nichts in der Umgegend gesehen hatte, keinen Baum, kein Haus, keine Straße, die zur Orientierung hätten dienen können. Eine ähnliche Geschichte des Sich-Orientierens ist auch die Begebenheit aus dem Alten Testament, die Geschichte von Rut. Noomi, eine verheiratete Frau und Mutter von zwei Söhnen aus der Nähe von Bethlehem, flieht vor einer Hungersnot in ein fremdes Land, zu den Moabitern. Die Söhne heiraten dort, die Familie findet Einkommen und wird sesshaft. Beide Söhne und ihr Mann starben, und so machte sich Rut auf zurück in ihre Heimat, begleitet von beiden Schwiegertöchtern. Auf halbem Weg schickte Noomi die zwei Frauen zurück zu ihren Familien. Die eine folgte dieser Aufforderung, die andere, Rut, jedoch wollte nicht umkehren sondern sprach zu ihrer Schwiegermutter: „bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen sollte. Wo du hingehst, das will ich auch hingehen.“ – ein „grandioses Zeugnis“. Eine Geschichte von Aufbruch, Veränderungen und Schicksalsschlägen. Aber auch eine Geschichte der Haltepunkte und Fixpunkte, die den beiden Frauen Orientierung gaben.
Evangelist Erwin Kugelmann, stellvertretender Vorsteher der Gemeinde Reutlingen-Süd, sprach danach vom Facettenreichtum dieser Geschichte. Die Gründe für Rut, ihrer Schwiegermutter in ein Land zu folgen, in dem sie als Moabiterin „überhaupt nicht gern gesehen“ war sondern im Gegenteil sogar verachtet wurde, werden in diesem Buch nicht beschrieben. Durch ihren Ehemann, Noomis Sohn, hatte sie den jüdischen Glauben und den Gott Abrahams kennen gelernt. Wahrscheinlich liebte sie Gott, vertraute ihm und wollte an dem neuen Glauben festhalten. Dies war also eine Umkehr von der Vielgötterei der Moabiter. Wie ist das bei uns? Manchmal genau umgekehrt: Wir kennen Gott, haben mit ihm vieles erlebt und plötzlich kommen Situationen und Verhältnisse, die uns nicht gefallen. Wir beginnen zu zweifeln, weil die Hilfe Gottes ausbleibt. Nichts klappt, im Gegenteil: es wird immer schlimmer. Wir verstehen das nicht und verlieren unser kindliches Vertrauen. In der Folge wenden wir uns anderen Göttern zu oder – anders ausgedrückt – viele Dinge werden uns wichtiger als Gott. Aber wir können sicher sein, dass Gott sich nicht von uns abwendet. Der Evangelist gab den Rat, Rut als Vorbild zu nehmen und in den beschriebenen Situationen wieder umzukehren, sich wieder Gott zu zu wenden. „Hab Vertrauen! Er schenkt uns Hilfe, so wie er Rut seine Hilfe geschenkt hat, als sie im fremden Land war.“ Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Boas kennen. „Gott hilft dir und mir. Wenn nicht sofort, dann später! Am Ende wird letztendlich alles gut.“
Evangelist Bernd Dietrich begrüßte die Zuhörenden aus seiner Gemeinde Pliezhausen. „Man könnte sagen, es ist eine alte Geschichte, eine Geschichte mit einem Happy End“. Aber dieses glückliche Ende kam erst sehr spät, nach vielen Sorgen, Fragen, Nöten und Ängsten sowie Trauer über den Tod der Ehemänner. Die beiden Frauen Rut und Noomi hatten eine Freundschaft mit einander. Dieses „Verstehen von Herz zu Herz“ ist eine gute Voraussetzung, wenn man gemeinsam einen Weg gehen möchte. Die Treue der Rut zu ihrer Schwiegermutter und ihre Aussage „dein Gott ist mein Gott“ haben den allmächtigen Gott gnädig gestimmt. Man hätte darum nun ein großes Wunder erwarten können, doch dieses Wunder blieb aus. Gott hat einen Menschen geschickt. Beim Ährenlesen lernte Rut Boas kennen und erkannte sicher nicht sofort, dass er ein Gesandter Gottes war. Wie geht es uns in Notlagen, in ausweglosen Situationen, wenn wir nicht mehr weiter wissen? „Da schickt uns auch Gott manches Mal einen Begleiter.“ Nehmen wir ihn dann wahr? Und auf der anderen Seite: Nehmen wir selbst wahr, wenn jemand einen besonderen Beistand benötigt? Nehmen wir das Leiden und die Not unserer Nächsten wahr? Lassen wir uns doch auch leiten und helfen, oder zumindest für den Anderen da sein nach den Worten Jesu: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Bezirksältester Probst beschloss die Andacht mit einer Zusammenfassung: Freundschaft, Orientierung, das Verlassen auf Gottes Hilfe sind keine „alten Dinge“ sondern ein immer noch gültiger Zuspruch Gottes.
Das Bekenntnis der Rut war gewaltig, wie ein Paradigmenwechsel und kultureller Wechsel und ein Gang in eine völlig ungewisse Zukunft. Zu sehen, dass der Gott ihrer Schwiegermutter ein verlässlicher Gott ist, war die Kraft, die ihr diese absolute Zuversicht gab. Die „Erfolgsgeschichte der Rut“ gründete letztlich auf ihr Vertrauen auf die göttliche Zusage. Zurückkommend auf den Beginn der Andacht, das Bild des Nebels, sagte der Bezirksälteste, dass die entscheidende Rolle dabei die Sonne spielt, die die Kraft hat, mit ihren Strahlen den Erdboden zu erreichen, den Boden erwärmt und die Atmosphäre aufheizt. Dann steigt der Nebel auf und die Luftfeuchtigkeit löst sich auf. Er zog den Vergleich zu der wärmenden und strahlenden Macht der Liebe Gottes und seines Geistes, der in uns wohnt, und schloss mit dem Rat, dem Geist Gottes die Macht und den Raum zu geben, sich in uns zu entfalten und viele „Nebelschwaden“ in uns aufzulösen.